Mein Körper ist mein Anderer. Ich versuche mich mit ihm anzufreunden, aber es gelingt mir nicht. Er macht es nicht mit Absicht; er hat gar keine Absichten. Wir existieren nur parallel zueinander. Als Frau ohne akuten Kinderwunsch wird man monatlich damit konfrontiert, dass der Körper einer Funktion nachgeht, welche der Verstand gerade nicht bedienen möchte. Also sucht der Verstand diverse Kontrazeptiva, drückt sie dem Körper rein – manche kommen bei dem Körper nicht gut an – woraufhin der Körper teilweise durchdreht, was wiederum den Verstand beeinflusst. Der Verstand fühlt sich dann selbst nicht mehr Herr der Dinge. Ist er aber eigentlich auch nicht. Keiner von beiden beherrscht tatsächlich irgendwas.
Mein Körper lässt die Haut um die Fingernägel wachsen, Haare an allen möglichen Körperstellen herausschießen; er verdaut Dinge, menstruiert, bewegt sich, lebt. Er lebt. Er ist ein anderer, der lebt. Wir kennen uns gut, sehr gut. Aber wir kennen uns nicht ganz. Mein Körper versteckt Dinge von meinem Verstand – und wird davon krank. Der Verstand wiederum versteckt Dinge von dem Körper und lässt ihn mit Placebos wieder gesunden. Und dann versucht er den gesunden Körper zu optimieren, ihn so zu unterwerfen, wie er das bei aller Natur und den Tieren tut. Der Körper wehrt sich und reagiert mit Krankheiten, Depressionen und anderen unschönen Dingen.
Die anderen um mich herum sehen ihren Körper auch als einen Anderen – wollen ihn optimieren, nehmen ab, nehmen zu, bauen Muskeln auf, tracken den Schlaf oder die Schritte, wiegen sich, machen Sport, zählen die Kalorien, essen gewisse Dinge oder essen sie nicht. Der Körper hat keine Wahl, als sich zu fügen. Aber er kann sich rächen, später, aus dem Hinterhalt, wenn der Verstand nicht ganz da ist.
Deswegen sollten wir ja meditieren; täglich einen flotten Body Scan machen, um die beiden miteinander zu versöhnen. Das ist aber verdammt kompliziert. Die beiden benehmen sich wie bockige Kinder. Der Verstand schweift dauernd ab: Warum hast du gestern das andere Kind auf dem Spielplatz angemotzt, ohne wirklich zu verstehen, was da passiert ist? Warum hasst mich die Kollegin? Hasst sie mich überhaupt, oder bilde ich es mir nur ein? Reicht das Geld für die nächste Miete? Der Körper währenddessen: Das Bein zwickt. Der Verstand: Rauche ich zu viel? Sind das die ersten Anzeichen der Thrombose? Der Körper lenkt die Aufmerksamkeit auf das Pochen des Herzens. Schon sehr schnell, oder? denkt sich der Verstand. Das war bestimmt der doppelte Espresso! Der Timer klingelt. Nun gut, das hätten eigentlich zehn Minuten Meditation gewesen sein sollen. Jetzt ist es, wie es ist. Der Geist und der Körper müssen weiter; in fünf Minuten ist schon das erste Arbeitstelefonat.
Die gute Nachricht ist, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollen, weil wir es einfach nicht sind. Als kleine Spezies mit zu großen Hirnen – ohne die wir aber auch aufgeschmissen wären – in diesem Universum, von dem wir nicht wissen, was es eigentlich ist. Wir wissen nicht mal genau, wie wir selber funktionieren; und wer wir hinter all den körperlichen und geistigen Schichten eigentlich sind.
Ich versuche meinen Körper zu lieben wie er ist. Wie er da ist. Und das meine ich jetzt nicht bodypositivistisch, sondern als Versuch, Dankbarkeit zu zeigen, auch wenn es meistens misslingt. Es geht nur gemeinsam. Sonst prügeln wir uns innerlich zu Tode.
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