Alle Jugendliche und die, die es mal gewesen sind, wissen, wie wichtig es mal war, nicht nur extrem cool nach Außen zu sein und zu zeigen, dass es bei einem mega läuft alles; sondern auch den eigenen Idolen nachzueifern mit dem Wunsch, selber auch so eine richtig fette Spur zu hinterlassen. Letzteres ist bei mir noch immer nicht abgeklungen samt überproporzionalem Gerechtigkeitsgefühl, also kann man nicht alles auf Jugendmaximalismus schieben. Dennoch habe ich in meinen jungen Jahren zweimal versucht eine Band zu gründen.
Der erste Versuch war kurz und schmerzvoll. Das war noch in St. Petersburg; wir haben uns als Teenies zu viert teils über Bekannte, teils über soziale Medien gefunden, und voller digitaler Begeisterung entschieden, dass wir eine Band sein wollen. Wir haben das ranzigste Band-Studio in ganz St. Petersburg ausgewählt; für die erste Probe.
An dem ausgemachten Tag hat mich meine Mutter hingebracht, und dabei verständnissvoll nicht direkt vor dem Gebäude geparkt, um meine Teenagercoolness zu respektieren (dafür bin ich ihr immer noch dankbar, auf sowas ließ sie sich oft ein); sodass ich die letzten Meter alleine, als wär ich ganz alleine mit der U-Bahn oder so unterwegs, die E-Gitarre und den Verstärker ins Studio schleppte. 5 Minuten. 10 Minuten. Eine halbe Stunde. Niemand kam. Keiner hat sich je wieder gemeldet. Ende. Meine Mutter holte mich wieder ab.
Der zweite Versuch fand fünf Jahre später, diesmal schon in München, statt. Für die Proben haben wir Räume in Haar, am anderen Ende der parallelen U-Bahn Linie gemietet, was nicht nur eine lange Fahrt, sondern vor allem auch einen Umstieg mit einem Gleiswechsel bedeutete. Mein E-Piano musste mit. Und meine E-Gitarre auch. Meine Freunde hatten an eigenen Instrumenten nur ihre Stimme im Gepäck. Diese ließ sich aber problemlos nach Haar transportieren, also packten sie bei mir mit an. Während eine E-Gitarre durchaus zum Transportieren gedacht ist, war es mein E-Piano nicht wirklich gewohnt. Eine Schutzhülle hatten wir auch nicht. Das arme Ding wurde zu zweit rein-, rausgeschleppt, die dritte Freundin stellte ihren Fuß dabei schützend durch die U-Bahn Tür. Als es einmal regnete, liefen mein Kumpel und ich mit diesem Klavier im schnellen Tipp-Tempo zu der Haar-Base, während unsere dritte Freundin, den Regenschirm über das Klavier haltend, seitlich daneben hüpfte.
Ich habe überhaupt gerne große Dinge einfach in der U-Bahn transportiert. Gerne ist wahrscheinlich nicht das richtige Wort. Aber mein erster Umzug stand an, und keiner meine Studi-Freunde hatte damals einen Führerschein geschweige denn ein Auto. Einen Umzugstransporter konnten wir uns natürlich nicht leisten. Und meine Freunde waren glücklicherweise extrem hilfsbereit und genauso scharf darauf, eine schräge Geschichte im Petto zu haben, wie wir einen Schrank in der U-Bahn transportiert haben. Außerdem waren meine zwei besten Freunde auch die Wannabeband-Mitglieder, also waren wir in diesen Dingen bereits geübt.
Zudritt angepackt, ging es los. Der Schrank, mein einziges großes Möbelstück im Besitz, passte glücklicherweise angewinkelt in den Aufzug. 6 Minuten bis zur nächsten U-Bahn. Wir stellen den Schrank ab, und funktionieren ihn zu einer freien Bank um. Es ist ein Werktagabend; die U-Bahn ist ziemlich voll; die Leute starren uns an. Ich verstehe sie ja auch. Wir lassen zwei rappelvolle Züge an uns vorbeiziehen. Beim dritten Anlauf ist die U-Bahn leer genug. Wir nehmen eine leichte Kurve durch die U-Bahn-Tür und kommen mit dem Schrank schräg rein. Nun steht das Ding diagonal angewinkelt zwischen den beiden Türen und versperrt so ziemlich alles. Wir nutzen die Chance und setzen uns drauf. Wenn man schon so einen Wahnsinn anzettelt, so hat man zumindest freie Sitzplätze für alle mit dabei.
Die Geschichte sprach sich schnell um. Wir wurden ab dann als Umzugsprofis immer wieder angefragt. Es waren auch wirklich lustige Abende, wo man nicht nur Gutes getan, sondern dann spätabends zwischen den Umzugskartons und halb auseinandergebauten Ikea-Möbeln sitzend, mit einer warmen Pizza im Karton und einem Kasten Bier, gedanklich immer weiter wegflog, in die ferne Zukunft des Erwachsenseins, in der man mit Dreißig über alles Bescheid weiß und alles erreicht hat. Grüße zurück.
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